14 Abschluss­prüfungs­reform - Neues für Aufsichts­räte

Europäisches Recht gilt für Aufsichtsräte in Unternehmen von öffentlichem Interesse („PIE“) jetzt unmittelbar

Seit dem 17. Juni 2016 gelten neue Vorschriften, die erhöhte Anforderungen an die Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen und die Arbeit der Aufsichtsräte - v. a. in Unternehmen von öffentlichem Interesse („Public Interest Entities“ – PIE) - bringen.

Bereits im Oktober 2010 hatte die EU-Kommission eine Debatte darüber eröffnet, was getan werden müsse, damit Abschlussprüfungen und Vermerke der Abschlussprüfer ihren Zweck erfüllen. Nach der Finanzkrise wurde – so die Kommission - der Frage, wie die Abschlussprüfung verbessert werden könnte, um zu erhöhter Finanzstabilität beizutragen, bis dahin nur sehr wenig Beachtung geschenkt. Unter dem Titel „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“ hatte sie deshalb ein Grünbuch veröffentlicht. Es folgte ein fast vierjähriger Beratungs- und Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene. Als Ergebnis liegen seit April 2014 zwei Regelwerke vor:

  • die überarbeitete Abschlussprüferrichtlinie, die bis zum Juni diesen Jahres in nationales Recht umzusetzen ist und
  • die EU-Verordnung über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse.

Die Richtlinie ist durch zwei umfangreiche Gesetzespakete in deutsches Recht umgesetzt. Vor allem das sog. „Abschlussprüfungsreformgesetz“ (AReG) enthält Änderungen des Handelsgesetzbuches (HGB) und des Aktiengesetzes (AktG), die in die Arbeit der Aufsichtsräte insgesamt eingreifen.

Die EU-Kommission hatte aber bei ihrer Initiative im Jahr 2010 vor allem die Unternehmen im Fokus, die einen Kapitalmarkt in der EU nutzen sowie Kreditinstitute und Versicherungen. Die EU-Verordnung richtet sich deshalb an diese sogenannten „Public Interest Entities (PIE)“ – also Unternehmen von öffentlichem Interesse. Sie gilt für diese „PIE“ unmittelbar in ganz Europa und ist, so der Verordnungstext, (im Wesentlichen) ab dem 17.06.2016 verpflichtend anzuwenden.

Mit dieser Verordnung setzt sich ein seit Jahren gerade auf europäischer Ebene zu beobachtender Trend fort: An die Führung und Überwachung von Unternehmen, die den Kapitalmarkt nutzen oder die selbst - wie Banken und Versicherungen - Finanzmarktakteure sind, werden immer strengere Anforderungen gestellt. Die Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse hat dabei eine Doppelfunktion: Sie ist Teil der Unternehmensüberwachung und sie dient der Verlässlichkeit von Finanzinformationen.

Die EU-Verordnung enthält deshalb wesentliche neue Pflichten für den Prüfungsausschuss von PIE.  Unternehmen von öffentlichem Interesse sind gemäß der Abschlussprüferrichtlinie

  • Kapitalmarktorientierte Unternehmen, deren Wertpapiere (z. B. Aktien, Anleihen etc.) zum Handel auf einem geregelten Markt in der EU zugelassen sind,
  • Kreditinstitute (einschl. Sparkassen und Genossenschaftsbanken) und
  • Versicherungsunternehmen (außer kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, VVaG).

Die Verordnung formuliert u. a. neue Pflichten des Prüfungsausschusses, den Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen in der Praxis regelmäßig bilden. Richtet der Aufsichtsrat eines PIE keinen Prüfungsausschuss ein, nimmt er diese Aufgaben wahr.

Im Folgenden werden ausgewählte Neuerungen für PIE in vier Bereichen dargestellt.

Externe Rotation – Verpflichtender Wechsel des Abschlussprüfers

Unternehmen von öffentlichem Interesse („PIE“) müssen ihren Abschlussprüfer künftig nach einer bestimmten Zeit wechseln („Externe Rotation“). Die Höchstmandatsdauer beträgt:

  • grundsätzlich 10 Jahre,
  • 20 Jahre, wenn das zu prüfende Unternehmen für das 11. zu prüfende Geschäftsjahr ein öffentliches Auswahlverfahren durchführt bzw.
  • 24 Jahre, wenn ab dem 11. zu prüfenden Geschäftsjahr mehrere Wirtschaftsprüfer gemeinsam zum Abschlussprüfer bestellt werden („Joint Audit“).

Bei Kreditinstituten (außer Sparkassen und Genossenschaftsbanken) und bei Versicherungen ist der Prüfer nach dem 10. zu prüfenden Geschäftsjahr zu wechseln.

Vorgaben, die die Auswahl des Abschlussprüfers einschränken (z. B. „Big-Four-Klauseln“) sind bei allen prüfungspflichtigen Unternehmen (PIE und Nicht-PIE), nichtig.

Der Prüfungsausschuss muss rechtzeitig klären, wann ein Prüferwechsel erfolgen muss. Der Zeitpunkt hängt davon ab, wie lange das Mandat des bisherigen Abschlussprüfers zum 16.06.2014 (Inkrafttreten der Verordnung) bereits bestand:

  • Mindestens 20 Jahre: Der Prüfer kann letztmalig vor dem 17.06.2020 für das zum 31.12.2020 endende Geschäftsjahr bestellt werden.

  • Noch nicht 20 aber mindestens 10 Jahre: Die Wiederbestellung kann letztmalig vor dem 17.06.2023 für das zum 31.12.2023 endende Geschäftsjahr erfolgen.

  • Weniger als 10 Jahre: Nach Auffassung der EU-Kommission beginnt der 10-Jahres-Zeitraum rückwirkend vor dem 17.06.2016. Es existiert keine Übergangsfrist. Besteht das Prüfungsmandat seit dem Geschäftsjahr 2006, kann dieser Prüfer ab dem 17.06.2016 nicht mehr bestellt werden.

Übergangsregel (EGHGB): Die beiden Verlängerungsoptionen („nach öffentlichem Auswahlverfahren“ oder „Joint Audit“) kommen ab dem 12. oder 13. zu prüfenden Geschäftsjahr in Frage, wenn die Wahl des Abschlussprüfers für das nächste nach dem 16.06.2016 beginnende Geschäftsjahr erfolgt.

Auswahlverfahren vor jedem Prüferwechsel

Künftig ist vor jedem Prüferwechsel bei einem PIE (auch vor Erreichen der Mandatshöchstdauer) ein Auswahlverfahren gemäß Art. 16 Abs. 3 der EU-Verordnung durchzuführen.

Dies gilt auch für das 11. zu prüfende Geschäftsjahr, wenn die Höchstmandatsdauer des bisherigen Prüfers auf 20 Jahre verlängert werden soll. In diesem Fall verlangt die EU-Verordnung ausdrücklich ein „öffentliches Auswahlverfahren“.

Das - einer Ausschreibung vergleichbare - Verfahren kann durch die zuständigen Stellen des zu prüfenden Unternehmens abgewickelt werden. Der Prüfungsausschuss ist aber immer zuständig für das Verfahren und dessen korrekte Durchführung.

Die Verordnung formuliert Mindestanforderungen an das Auswahlverfahren:

  • Aufforderung beliebiger in Frage kommender Prüfer zur Angebotsabgabe
  • Mandatshöchstlaufzeiten sind zu beachten und
  • kein Ausschluss „kleinerer Prüfer“.
  • Erstellung von Ausschreibungsunterlagen
  • mit transparenten, diskriminierungsfreien Auswahlkriterien.
  • Frei gestaltbares Verfahren.
  • Beurteilung der Angebote anhand der festgelegten Auswahlkriterien.
  • Erstellung eines Berichts über die Ergebnisse des Auswahlverfahrens.
  • Validierung dieses Berichts durch den Prüfungsausschuss.
  • Ggf. Darlegung eines fairen Auswahlverfahrens gegenüber der Abschlussprüferaufsichtsstelle.

Vor allem vor einem zwingenden Prüferwechsel, muss der Prüfungsausschuss auf die rechtzeitige Einleitung des Auswahlverfahrens achten.

Der Prüfungsausschuss hat Kriterien zur Auswahl des Abschlussprüfers und deren Gewichtung zu formulieren. Dies gilt insbesondere für die qualitativen Anforderungen an den Prüfer.

Der Prüfungsausschuss berät alle Durchführungsschritte, beschließt diese (soweit erforderlich) und achtet auf eine aussagekräftige Verfahrensdokumentation.

Umgang mit „Nichtprüfungsleistungen“ des Abschlussprüfers

Die Verordnung enthält einen umfangreichen Katalog an Leistungen, die der Prüfer nicht für das von ihm geprüfte PIE erbringen darf (Artikel 5). Im HGB sind weitere für den Prüfer eines PIE verbotene Nichtprüfungsleistungen genannt. Erlaubt sind nur solche Leistungen, die nicht ausdrücklich verboten sind.

Erlaubte Nichtprüfungsleistungen darf der Abschlussprüfer eines PIE nur erbringen, wenn der Prüfungsausschuss dies billigt. Der Prüfungsausschuss erstellt ggf. Leitlinien in Bezug auf die erlaubten Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen.

Der Prüfungsausschuss sollte diese Leitlinien als Bestandteil einer allgemeinen Verfahrensregelung zum Umgang mit solchen Leistungen entwickeln und beschließen. Erbringt der Abschlussprüfer verbotene Leistungen (zum Beispiel im Zusammenhang mit der internen Revision des geprüften Unter-nehmens) oder nicht gebilligte Leistungen, ist der Vertrag nichtig.

Sanktionen gegen Mitglieder von Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss

Mitglieder von Aufsichtsräten und Prüfungsausschüssen in Unternehmen von öffentlichem Interesse unterliegen künftig einer behördlichen Aufsicht. Eine Behörde (das Bundesamt für Justiz bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin) kann Bußgelder verhängen,

  • wenn die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers nicht ausreichend überwacht wurde,
  • wenn die Empfehlung für die Bestellung eines Abschlussprüfers nicht ordnungsgemäß erfolgte oder
  • wenn der Vorschlag an die Hauptversammlung für die Bestellung eines Abschlussprüfers nicht gemäß der EU-Verordnung erfolgte.

Dies sind in der Regel Ordnungswidrigkeiten – unter Umständen kann aber sogar eine Straftat vorliegen, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldbuße geahndet wird.

Bericht des Unternehmens über die Ergebnisse und die Tätigkeit des Prüfungsausschusses gegenüber der Abschlussprüferaufsicht

Die Abschlussprüferaufsichtsstelle (Aufsichtsbehörde für Abschlussprüfer, beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) kann von dem Unternehmen eine Darstellung und Erläuterung des Ergebnisses sowie der Tätigkeit seines Prüfungsausschusses verlangen. Allerdings hat die Behörde zuerst Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen zu nutzen.

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