Gemäß § 113 Abs. 5 GO NRW haben
„die Vertreter der Gemeinde (in Beiräten, Ausschüssen, Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsräten oder entsprechenden Organen, d. Verf.) (…) den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig zu unterrichten. Die Unterrichtungspflicht besteht nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.“
Demgegenüber steht zunächst die aktienrechtliche Pflicht zur Verschwiegenheit des Aufsichtsratsmitglieds gemäß § 116 Satz 2 AktG:
„Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet.“
Allerdings unterliegen gemäß § 394 AktG
„Aufsichtsratsmitglieder (einer AG, d. Verf.), die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind, (…) hinsichtlich der Berichte, die sie der Gebietskörperschaft zu erstatten haben, keiner Verschwiegenheitspflicht. Für vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, gilt dies nicht, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichte nicht von Bedeutung ist. Die Berichtspflicht nach Satz1 kann auf Gesetz, auf Satzung oder auf dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteilten Rechtsgeschäft beruhen.“
Die Berichtspflicht setzt danach voraus, dass eine gesetzliche, satzungsrechtliche oder rechtsgeschäftliche Berichtspflicht des Aufsichtsratsmitglieds überhaupt besteht. § 394 AktG begründet selbst keine solche Pflicht zur Berichterstattung.
Eine allgemeine öffentlich-rechtliche (kommunalrechtliche) Pflicht zur Berichterstattung von Aufsichtsratsmitgliedern an die sie entsendende bzw. vorschlagende Gebietskörperschaft besteht jedoch nicht. Auch die oben genannte kommunalrechtliche Pflicht zur Berichterstattung an den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung (hier als Beispiel § 113 Abs. 5 GO NRW) stellt keine solche allgemeine Berichtspflicht dar.
Hinzu kommt, dass § 394 AktG für sich betrachtet nicht zur Aufhebung der Verschwiegenheitspflicht führt. Nach allgemeiner Auffassung führt diese Regelung erst im zwingenden Zusammenspiel mit § 395 Abs. 1 AktG zu einer Verlagerung der bestehenden Verschwiegenheitspflicht. Gemäß § 395 Abs. 1 AktG haben
„Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten oder für eine Gebietskörperschaft die Gesellschaft, die Betätigung der Gebietskörperschaft als Aktionär oder die Tätigkeit der auf Veranlassung der Gebietskörperschaft gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieder zu prüfen, (…) über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen aus Berichten nach § 394 bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren; dies gilt nicht für Mitteilungen im dienstlichen Verkehr.“
Es wird deutlich, dass sich §§ 394, 395 AktG gerade nicht auf die Berichterstattung gegenüber dem Rat, sondern höchstens auf die gegenüber der Verwaltung bezieht.
Zusammenfassendes zur gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht im Verhältnis zu einer möglichen kommunalrechtlichen Berichtspflicht gegenüber dem Rat
Das Mitglied des obligatorischen AG- und GmbH-Aufsichtsrats unterliegt zwingend der aktienrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 116 Satz 2 AktG. Die kommunalrechtliche Pflicht zu einer Berichterstattung gegenüber dem Rat bei Angelegenheiten von besonderer Bedeutung (§ 113 Abs. 5 GO NRW, siehe oben) läuft insoweit ins Leere, weil durch das AktG eine Pflicht zur Verschwiegenheit bestimmt ist.
Dies gilt selbstverständlich auch und erst recht für eine Berichterstattung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Ratsfraktionen, denen sie angehören. Eine Berichtspflicht scheidet hier von vorne herein aus, da das Aufsichtsratsmitglied Vertreter der Gemeinde und nicht der Fraktion ist.
Auf Veranlassung der Gebietskörperschaft gewählte oder entsandte Aufsichtsratsmitglieder sind (auch nach der Neufassung von § 394 S. 3 AktG durch die Aktienrechtsnovelle 2016) nur für Berichte an die Verwaltung – gerade nicht an den Rat! – von ihrer aktienrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit befreit.
Im fakultativen GmbH-Aufsichtsrat kann der Gesellschaftsvertrag den Umfang der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder einschränken. Grundsätzlich gilt § 116 Abs. 2 AktG über § 52 GmbHG auch für den fakultativen GmbH-Aufsichtsrat. Eine „Aufweichung“ der aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Rat erfordert allerdings zwingend eine gesellschaftsvertragliche Regelung („… soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist.“).
§ 52 GmbHG verweist zwar nunmehr auch auf §§ 394 und 395 AktG. § 113 Abs. 5 GO NRW macht jedoch auch dadurch den Rat nicht zum aktienrechtlich geeigneten Berichtsadressaten
In der Regel kommt deshalb eine Berichterstattung des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Verwaltung eher in Betracht als gegenüber dem Rat.